Vermeintliche Kompetenz durch eigene Bestätigung?

p395289 NEUNsight Februar 2020

Es fühlt sich gut an, von anderen bestätigt zu werden. Und dies ist offenbar für viele Menschen der Nachweis darüber, dass man mit seiner Sicht der Dinge richtig liegt. Gesprächspartner werden für kompetent gehalten werden, die klar signalisieren, gleicher Meinung wie man selbst zu sein.

Mit dieser Thematik beschäftigen sich mehrere Studien von Stefan Schulz-Hardt und seinem Psychologenteam an der Universität Göttingen. Umgekehrt gelten Aussagen Anderer als bedeutend, glaubwürdig und wahrhaftig, wenn sie mit den eigenen Ansichten weitgehend kongruent sind. Um die reine Wahrheit, und nichts als die Wahrheit, geht es uns eher selten.

Vorgefasste Meinung

Die Psychologen Agata Gasiorowska und Tomasz Zaleskiewicz an der Universität Breslau haben dazu eine Studie im Fachmagazin Applied Psychology veröffentlicht. Die Teilnehmer sollten eine Anlage-Entscheidung zwischen der Eröffnung eines Investment-Depots und dem Abschluss einer Lebensversicherung treffen. Es wurden eindeutig diejenigen Anlageberater als kompetent bewertet, die Empfehlungen gaben, die den vorgefassten Meinungen der Teilnehmer entsprachen.

Kritik an Andersdenkenden

Sehr kritisch bewerten wir dagegen jene Menschen, die unsere Meinung geradezu herausfordern. Um beim Beispiel der Anlageberatung zu bleiben: Wer Aktien grundsätzlich schon immer für eine hochgradig riskante Geldanlage hielt, wird sich von dem „inkompetenten“ Berater, der das Gegenteil behauptet, wohl kaum überzeugen lassen. Was passiert in uns, wenn wir ganz offen, ohne vorgefasste Meinung, zum Anlageberater gehen? Tomasz Zaleskiewicz stellt dazu fest, dass dann die meisten Menschen auf Aussagen vertrauen, die ohnehin sehr geläufig und populär sind, das heißt, jener Berater erscheint als besonders kompetent, der lediglich Allgemeinplätze und Standardlösungen präsentiert.

Beispiel Eigendiagnose

Diese Haltung hat weitreichende Folgen. Machen wir dazu einen Schwenk und gehen zum Arzt. Der mündige Patient holt sich heute seine aktuellen medizinischen Kenntnisse aus dem Internet und geht mit einer solchen fadenscheinigen Eigendiagnose zum Arzt. Dieser gilt in den meisten Fällen nur dann als guter Arzt, wenn er in der Lage ist, beim Wissen des Patienten überhaupt „mithalten“ zu können, indem er dieses möglichst uneingeschränkt bestätigt. Woran es dem Laien in der Tat allgemein fehlt, das sind belastbare Kriterien, die uns Auskunft darüber geben, welcher Qualität ein Expertenrat wirklich hat. Oder müssen wir uns vielleicht doch wieder viel mehr auf unser „Bauchgefühl“ verlassen?

Intuitives Denken

Daniel Kahneman schrieb das Buch mit dem Titel „Thinking, Fast and Slow“, zu deutsch „Schnelles Denken, langsames Denken“, das ihm und seinen Forschungen dazu immerhin den Nobelpreis für Wirtschaft einbrachte. Hierin belegte er eindrucksvoll, dass das sogenannte intuitive Denken im Zweifel stets recht behält. Zusammengefasst sind darin die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschungen, die Kahneman gemeinsam mit Amos Tversky durchgeführt hat. Die zentrale These ist hierbei, dass es zwei dem Wesen nach sehr unterschiedliche Arten des Denkens gibt: das schnelle, emotionale, instinktive System 1 und das langsame, analysierende, logische System 2.

 Ist Beratung nur „Effekthascherei“?

 Nicht die Fakten, das Wissen, die Kompetenz und Expertise stehen wirklich im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern vornehmlich die Wirkung, ein Show-Effekt, der früher im Volksmund gern als „Effekthascherei“ bezeichnet wurde. Und genau das kann fatale Auswirkungen bis hin zum Erfordernis der Insolvenzanmeldung haben. Denn in die Ränge der Führungskräfte haben sich vielerorts Opportunisten gehievt und diese besetzen wichtige Schlüsselstellungen, ohne einen Hauch von Kompetenz dafür zu besitzen. Eine provokante These, die allerdings tagtäglich durch Meldungen im Wirtschaftsteil jeder großen Tageszeitung gestützt werden. Dort finden sich Beispiele zuhauf.

Autor: Frank Altmann

Bild: Pixabay (CCO)

Im Überblick

Natürlich schmeichelt es dem eigenen Ego, wenn der Gesprächspartner gegenüber unsere Meinung unterstützt. Allerdings besteht die Gefahr darin, dass wir diese Bestätigung für eine vermeintliche Kompetenz halten, die in Wahrheit und real nicht existiert. Vielmehr hat unser Gegenüber geschickt taktiert und unsere vorgefassten Meinungen erkannt und zu seinem Vorteil ausgenutzt. Selbst rationale Gegenargumente verlaufen im Sand, wenn das nach Kahneman schnelle, emotionale und instinktive System 1 das Denken beherrscht.