Die digitale Revolution erzeugt Gewinner und Verlierer in den unterschiedlichsten Berufszweigen. Wir sagen Ihnen welche Berufe in Zukunft noch gefragt sind und von welchen Ausbildungsrichtungen Sie lieber die Finger lassen sollten.
Ein erstes Beispiel der digitalen Revolution nutzen Sie gerade. Die NEUNsight hat sich von einem Print- in ein online-Fachmedium gewandelt. Der Grund liegt auf der Hand: Konventioneller Journalismus – egal ob Tageszeitung oder Print-Magazin – ist seit Jahren auf dem Rückzug. Die „Informationsgesellschaft“ – ein Ausdruck der digitalisierten Newsverbreitung – hat dafür gesorgt, dass die Auflagen der klassischen Printmedien langsam absackten. Digitale Nachrichtenkanäle machen Journalisten das Leben zudem derart schwer, dass viele Vertreter der schreibenden Zunft sich über kurz oder lang als Verlierer sehen werden, wenn sie nicht in den online-Bereich wechseln.
Überhaupt: Verbrauchern bietet die digitale Revolution allerlei Chancen – mögliche Transformationen verlangen allerdings ihren Preis. Dazu gehört die ständig steigende Anzahl internetabhängiger Zeitgenossen. Vom „World of Warcraft“ zockenden und kaum zur Ruhe kommenden Teenager über die Facebook-Süchtigen, denen Beachtung zum Lebenszweck geworden ist bis hin zu den bedauernswerten Cypersexfans. Die Süchte sind längst zu Problemen für die Unternehmen geworden. Die umfangreichsten Zahlen bietet eine Studie vom Bundesministerium für Gesundheit. Demnach sind hierzulande 800.000 Menschen abhängig vom Internet. Dazu kommen 3,6 Millionen Menschen, die unter Internet-Missbrauch leiden. Ihr Umgang mit dem Medium gilt als „problematisch“ – bei Alkoholkranken benutzt man dieselben Definitionen.
Der Internetpionier Jaron Lanier sagte bereits 2010 warnend: „Wir sollten zum Nutzen zukünftiger Generationen über die digitalen Schichten nachdenken, die wir jetzt legen.“ Offensichtlich haben wir das in den vergangenen fünf Jahren nur unzureichend getan. Und das Problem betrifft längst nicht mehr nur frustrierte Lehrer, denen die Schüler vor Müdigkeit im Unterricht wegdämmern. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass auch Unternehmen betrifft, die deswegen Milliarden Euro an Wertschöpfung verlieren.
In der Wirtschaft hinterlässt die digitale Revolution allerdings weitaus massivere Spuren: Aufschwung, aber keine Jobs heißt der immer größer werdende Albtraum. Denn die IT-Revolution konnte die Produktivität ausgiebig anwachsen lassen, während Menschen mit unpassender Ausbildung und gering qualifizierte Arbeitnehmer längst zu Verlierern wurden. Vor einiger Zeit veröffentlichten Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology eine Analyse unter dem Titel „Race against the Machine“. Sie beschreiben in Auswertung ihrer Untersuchungen die Auswirkungen der sogenannten dritten industriellen Revolution. Dabei stand die Zukunft der Arbeitsplätze im Fokus. Eine dritte Revolution der Industrie? Nach Dampfmaschine und Elektrizität sind also nun Internet und Computer unterwegs, die Arbeits- und Kommunikationswelt umzupflügen. Viele Denkweisen und Gewohnheiten gehen unter und Arbeitsplätze verschwinden, obwohl der Lebensstandard über längere Zeit zunächst zunehmen wird.
Hat die Jobmaschine ausgedient?
„Race against the Machine“ fragt nach den Auswirkungen der digitalen Revolution, nachdem bereits als Folge der zurückliegenden globalen Rezessionen keinesfalls so viele Arbeitsplätze geschaffen worden waren, wie sie als Reaktion auf das Bevölkerungswachstum notwendig wären. So sanken die Beschäftigungsquoten. In vielen westlichen Industrienationen, allen voran in den USA, funktioniert die Jobmaschine nicht mehr richtig – jedenfalls bisher. Durch die digitale Revolution erhöhten sich die Produktivitätsraten. Das reale Sozialprodukt wuchs, ohne dass irgendjemand zusätzlich eingestellt werden musste. „Jobless recovery“ also „Aufschwung ohne neue Jobs“ heißt der Albtraum – zumindest auf die USA bezogen.
Längst wurde Arbeitslosigkeit trotz Fortschritt zur realen Bedrohung. Gering qualifiziert Arbeitnehmer machen einen Großteil der Gesamtbevölkerung aus. Sie wurden zu Verlierern, während die gut qualifizierten Arbeitnehmer auf der Sonnenseite stehen. Programmierer, Marketingleute und Manager sind gefragt. Weil einfache Routinearbeiten in den Büros und Werkhallen immer mehr von Maschinen aller Art ausgeführt werden, hat sich die Nachfrage nach hoch qualifizierten Mitarbeitern zum Nachteil geringer qualifizierter Arbeiter dramatisch verschoben. Vor allem im Niedriglohn- und Dienstleistungssektor läuft eine große Zahl von Jobs Gefahr, der Automatisierung zum Opfer zu fallen – das belegen die Zahlen aus den USA zumindest.
Positive Voraussagen für Deutschland
Zu etwas anderen Ergebnissen kommen Untersuchungen für den deutschen Markt. Wie sich die Digitalisierung auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken könnte, hat unter anderem die Unternehmensberatung PwC analysiert. Das Ergebnis fällt vergleichsweise positiv aus: Zwar gebe es Branchen, in denen der Bedarf an Arbeitskräften sinken werde – bei Transport und Logistik zum Beispiel um 19 Prozent, im Handel um 17 Prozent. Anderswo werde der Bedarf aber deutlich steigen: im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation zum Beispiel um 11 Prozent, in der Gesundheits- und Pharmabranche um 6 Prozent. Und gerade für Hochschulabsolventen gibt es in Zukunft weiter genug Jobs, heißt es in der PwC-Studie: Bis 2030 werden in Deutschland zwei Millionen Akademiker mehr gebraucht – natürlich vor allem, aber nicht nur in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).
Und selbst dort, wo die Digitalisierung Jobs nur langsam verändert, etwa in manchen Handwerksberufen, macht sie sich bemerkbar. „Auch da gibt es im kaufmännischen Bereich oder im Kundenservice digitale Entwicklungen, die Auszubildende kennen müssen“, so Professor Friedrich Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Für junge Leute auf dem Weg ins Berufsleben bedeute das zunächst mehr Arbeit, aber auch bessere Chancen. Denn sogenannte Schlüsselqualifikationen für den Umgang mit digitalen Technologien lassen sich oft auch auf andere Branchen und Berufe übertragen.
Autoren: Lisa Heinemann / Michael Storks
Bild: CEBIT