Transaktives Gedächtnissystem: Die Kraft des kollektiven Wissens

p395289 NEUNsight März 2024

Das transaktive Gedächtnissystem ist ein Konzept aus der kognitiven Psychologie, das sich auf die gemeinsame Speicherung und den gemeinsamen Abruf von Informationen durch Gruppen oder soziale Einheiten bezieht. Im transaktiven Gedächtnissystem speichert jede Person in der Gruppe spezifische Informationen, während sie sich auch auf das Wissen und die Erinnerungen anderer Gruppenmitglieder verlässt. Dies ermöglicht es der Gruppe, effizienter und effektiver Informationen zu organisieren, zu speichern und abzurufen, indem sie auf die individuellen Stärken und Fachkenntnisse jedes Mitglieds zugreift. Die Koordination und Kommunikation zwischen den Mitgliedern sind entscheidend, um ein gut funktionierendes transaktives Gedächtnissystem aufrechtzuerhalten. Für den Aufbau der Teamresilienz ist ein transaktives Gedächtnissystem entscheidend.

Das Transaktive Gedächtnis entsteht, wenn Individuen Wissen von anderen in der Gruppe lernen. In etablierten Gruppen ist das Wissen über die Kenntnisse anderer auf fundierten Kommunikationsprozessen aufgebaut, im Gegensatz zu spontan gebildeten Gruppen, wo das Wissen auf oberflächlichen Merkmalen basiert. Durch diese Wissenskommunikation entsteht ein komplexes System, von dem die Gruppenmitglieder profitieren. Jedes Mitglied kennt das System aus einer anderen Perspektive und weiß, wo welche Information bei anderen gespeichert ist. Ein transaktives Gedächtnissystem geht also über die Summe seiner individuellen Komponenten hinaus.

Die Vorteile eines gut funktionierenden transaktiven Gedächtnissystems liegen auf der Hand:

  • Zugang zu Wissen, das durch die Integration verschiedener Bereiche entsteht
  • Enkodierung und Speicherung von Informationen, die allein möglicherweise übersehen würden
  • Relevante Informationen werden oft auch dann gespeichert, wenn das Individuum allein die Speicherung versäumt hat
  • Andere Mitglieder können Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen, auch in Abwesenheit eines Individuums
  • Gruppen mit einem funktionierenden transaktiven Gedächtnis erreichen ihre Ziele effektiver und steigern die Zufriedenheit ihrer Mitglieder

Empirische Ergebnisse

Transaktive Gedächtnissysteme sind in verschiedenen wissenschaftlichen Studien empirisch untersucht worden. In ihrer Studie „Exploring the Performance Benefits of Group Training: Transactive Memory or Improved Communication?“ untersuchten Moreland und Myaskovsky (2000) z.B. die Auswirkungen von Gruppentraining auf die Leistung bei der Lösung einer Aufgabe, insbesondere ob diese auf die Bildung eines transaktiven Gedächtnisses oder auf verbesserte Kommunikation zurückzuführen ist. Sie führten ein Experiment mit verschiedenen Bedingungen durch, in denen Gruppen Radios zusammenbauen sollten. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl Gruppen, die ein Gruppentraining hatten und somit während des Trainings kommunizieren konnten, als auch Gruppen, die Informationen über die Fähigkeiten der anderen Gruppenmitglieder erhielten, weniger Fehler beim Zusammenbau der Radios machten als Gruppen ohne diese Möglichkeiten zur Kommunikation. Dies legt nahe, dass sowohl verbesserte Kommunikation als auch die Bildung eines transaktiven Gedächtnisses zur Effizienz einer Gruppe beitragen können.

Aufbau eines transaktiven Gedächtnissystems in Teams

Ein transaktives Gedächtnissystem zur Förderung der Teamresilienz kann durch eine gezielte Gestaltung der Teamstruktur, der Kommunikationsprozesse und der Arbeitsabläufe aufgebaut werden. Folgende Dinge sind dabei wichtig zu beachten:

Festlegung klarer Rollen und Verantwortlichkeiten:

Jedes Teammitglied sollte eine klare Rolle und spezifische Verantwortlichkeiten haben, die auf seinen Fähigkeiten und Fachkenntnissen basieren. Dadurch wird sichergestellt, dass jedes Teammitglied einen Beitrag zum Teamerfolg leisten kann und dass die Kompetenzen des gesamten Teams optimal genutzt werden.

Förderung von Vertrauen und Offenheit:

Ein transaktives Gedächtnissystem erfordert Vertrauen und Offenheit zwischen den Teammitgliedern. Teamleiter sollten eine offene und unterstützende Teamkultur fördern, in der sich die Mitglieder frei fühlen, ihr Wissen und ihre Ideen auszutauschen, ohne Angst vor Kritik oder Ablehnung zu haben.

Regelmäßige Kommunikation und Wissensaustausch:

Regelmäßige Meetings, Brainstorming-Sitzungen und informelle Gespräche sollten genutzt werden, um den Wissensaustausch im Team zu fördern. Teammitglieder sollten die Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen, Ideen und Lösungsansätze zu teilen und gemeinsam an Problemen zu arbeiten.

Verwendung von Kollaborationswerkzeugen und Technologien:

Die Nutzung von Kollaborationswerkzeugen und (auch KI-gestützten) Technologien wie Projektmanagementsoftware, Instant-Messaging-Plattformen und Online-Dokumenten ermöglicht es den Teammitgliedern, einfach und effizient Informationen auszutauschen, Dokumente zu teilen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten.

Feedback und Reflexion:

Feedbackmechanismen sollten implementiert werden, um den Wissensaustausch im Team zu verbessern. Teammitglieder sollten konstruktives Feedback zu ihren Ideen und Lösungsansätzen erhalten und die Möglichkeit haben, aus ihren Erfahrungen zu lernen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Förderung einer Lernkultur:

Ein transaktives Gedächtnissystem wird am besten in einer Organisation gefördert, die eine Lernkultur pflegt und kontinuierliches Lernen und Wachstum unterstützt. Teammitglieder sollten ermutigt werden, neue Fähigkeiten zu erlernen, ihr Wissen zu erweitern und sich aktiv an der Weiterentwicklung des Teams zu beteiligen.