Folgen der Pandemie: Ökonomische Resilienz wird zum weltweiten Erfolgsfaktor

p395289 NEUNsight Mai 2021

Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen zu drastischen Veränderungen geführt. Gleichgültig, ob Home-Office, Home-Schooling oder Kurzarbeit – die Situation belastet uns alle. Was jetzt jeder einzelne, aber auch Unternehmen tun sollten, um resilienzfördernde Rahmenbedingungen aufzubauen.

Bei starken Belastungen spricht man von einer starken Beanspruchung der Resilienz. Resilienz ist die Widerstandskraft gegen jegliche Art von belastenden Herausforderungen, aber auch die Regenerationskraft nach extremen Belastungsphasen. Diese Individual-Resilienz ist ein Teil dessen, was unter resilienzfördernden Rahmenbedingungen zu verstehen ist. Ein weiterer Aspekt bei der Bewältigung von Krisen und für eine schnelle Regeneration nach einer Krisenbelastung ist die ökonomische Resilienz. Hinter der ökonomischen Resilienz verbirgt sich ein Sammelsurium von Instrumenten, welche die Widerstandskraft des Unternehmens gegen Krisen jeglicher Art nachhaltig steigern. Diese Instrumente werden z.Zt. nur bedingt von Unternehmen – gleichgültig welcher Größe – bewusst und aktiv genutzt. Dies liegt vor allem daran, dass die wirtschaftspsychologische Forschung erst jüngst neueste Erkenntnisse zur ökonomischen Resilienz entdeckt hat. Eine der zentralen Erkenntnisse aus Forschungsprojekten ist, dass Unternehmen, die ihre Team-Resilienz konsequent steigern und ein professionelles Background Personality-Management betreiben, eine extrem hohe ökonomische Resilienz aufweisen.

Diese Erkenntnis begründet sich vor allem darin, dass die Interaktion von Menschen in sozialen Konstrukten (Organisationen) zu einer Eigendynamik führen kann, welche die Resilienz gezielt steigert. So ist der bewusste Aufbau des transaktiven Gedächtnisses – also die spezifische Wissensvermittlung und wissensorientierte Kommunikation – ein zentraler Resilienzfaktor in Krisenzeiten. Denn sobald soziale Konstrukte dadurch mehr Sicherheit verspüren, dass ausreichend Wissen in der Organisation geteilt wird, zeigen sie eine höhere Entscheidungsfreudigkeit und es entstehen mehr angstfreie Räume. Für die Führungskräfte bedeutet dies konkret, dass Informationen rechtzeitig und sehr detailliert an die soziale Konstrukte weitergegeben werden müssen. Dies gilt insbesondere für Organisationseinheiten, die sehr ängstlich und lageorientiert sind. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich gegenüber Veränderungen eher resistent oder sogar ablehnend verhalten. Dieses Verhalten wird in Krisenzeiten zum „Resilienz-Killer“, da die Unsicherheit und die eingeschränkte Handlungsfähigkeit dieser Organisationseinheiten den gesamten unternehmerischen Leistungsprozess negativ beeinflussen. Zentrale Geschäftsprozesse geraten dadurch ins Stocken und statt in Krisenzeiten proaktiv die Herausforderung anzugehen, werden differenzierte Analyseaufträge durchgeführt und detailorientierte Kleinstarbeit bevorzugt. Somit wird der Transformationsprozess verlangsamt und die Krise mehr und mehr zur unternehmerischen Katastrophe.

Um dies zu verhindern ist es entscheidend, dass Führungskräfte ihren Gestaltungsspielraum aktiv nutzen und Gelassenheit sowie Souveränität ausstrahlen. Damit ist aber nicht gemeint, dass kritische und weitreichende Entscheidungen vor sich hergeschoben werden, sondern dass die Situation sachlich beschrieben und den Organisationseinheiten ein perspektivischer Lösungsansatz präsentiert wird. Durch diese Art der Führung wird der „Überblick“ in den Organisationseinheiten gefördert und die Handlungsorientierung über die vermittelten Lösungsperspektiven erhöht. Diese Handlungsorientierung ist ausschlaggebend dafür, dass ein Unternehmen seine ökonomische Resilienz steigern und nachhaltig behalten kann.

Ein weiterer zentraler Aspekt zum Aufbau resilienzfördernder Rahmenbedingungen ist die Einführung eines resilienzorientierten Wertegerüstes. Dabei sollen vor allem die zentralen Fragestellungen der individuellen Resilienz beantwortet werden. Hierzu gehört zum Beispiel die Frage, wie stark das Gefühl der Selbstbestimmtheit einzelner im Unternehmen gefördert wird, oder, wie gut jeder seine persönliche zielbezogene Aufmerksamkeit in seiner Abteilung ausleben kann. Diese und viele weitere Fragen basieren auf der Erkenntnis, dass viele individuelle Kategorien der Resilienz eine unmittelbare Auswirkung auf das soziale Umfeld haben. Damit ist die Förderung der individuellen Resilienz auch eine Förderung der Team-Resilienz. Die „Hintergrundpersönlichkeit“ (Background Personality), welche durch die Interaktion aller Individuen in einer Organisationseinheit entsteht, wird vor allem durch den Austausch von affektspezifischen Inhalten und Handlungen geformt. Dieser Erfahrungsaustausch stärkt oder reduziert die Team-Resilienz und kann nur durch ein professionelles Stimmungsmanagement in der Organisationseinheit gesteuert werden. Nur wenn es den Führungskräften gelingt, die Affektsituation der Teammitglieder zielsicher zu diagnostizieren, um dann aktiv auf diese Affektsituation und dessen Austausch einzuwirken, wird die Team-Resilienz bewusst gestärkt. Es lohnt sich für jede Führungskraft, dieses Stimmungsmanagement zu erlernen, da damit Verweigerungen oder Blockaden im Team sehr schnell erkannt und beseitigt werden können. Gerade im Home Office und nach einer längeren Zeit der Kurzarbeit ist dieses Stimmungsmanagement besonders wichtig. Damit können nicht nur Belastungsspitzen abgebaut, sondern auch nachhaltige Motivation für Maßnahmen zur Krisenbewältigung aufgebaut werden. Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, dass Krisen für Unternehmen eine ganz besondere Herausforderung sind, insbesondere wenn die Einflussfaktoren nicht innerhalb des Unternehmens, sondern außerhalb bei der Politik liegen. Der bewusste Aufbau einer ökonomischen Resilienz schützt dabei die Unternehmen vor derartigen Belastungen in der Zukunft. Wer sich eine erfolgreiche Zukunft in seinem Unternehmen wünscht, für den lohnt es sich über die ökonomische Resilienz seines Unternehmens einmal nachzudenken.

Autor: Winfried Neun (Wirtschaftsjournalist/Chefredakteur)

Coverbild: Pixavay (CCO)