Ein Großteil der Deutschen leidet stressbedingt unter Schlaflosigkeit und Unruhe. Vier von fünf Arbeitnehmern fühlen sich durch ihren Job gestresst. 57 Prozent verspüren eine hohe Anspannung, 44 Prozent Unruhe und 40 Prozent klagen über Schlafstörungen – und das quer durch alle Branchen. Was man dagegen tun kann.
Vor ein paar Wochen ploppte in den sozialen Netzwerken immer wieder eine Meldung auf, die für Gesprächsstoff sorgte – vermutlich, weil sich viele selbst betroffen fühlten.
Mich dagegen überraschte die Studie, die dort geteilt wurde, nicht allzu sehr, denn in meinem Beruf als Coach und Wirtschaftspsychologe komme ich immer wieder mit dem Thema in Kontakt:
Worum ging es? Im Auftrag des Karrierenetzwerks LinkedIn hatte das Marktforschungsinstitut YouGov Berufstätige zu ihrem Befinden befragt. Das Ergebnis: Vier von fünf Arbeitnehmern fühlen sich durch ihren Job gestresst. 57 Prozent verspüren eine hohe Anspannung, 44 Prozent Unruhe und 40 Prozent klagen über Schlafstörungen – und das quer durch alle Branchen.
Das Fatale: Wer Stress im Job hat, schleppt diesen zwangsläufig auch mit ins Privatleben, denn Stress kennt selbstredend keinen Feierabend und lässt sich nach 17 Uhr nicht so einfach am Ausgang der Firma abgeben.
Die Kommentare, die Menschen unter die Meldung geschrieben hatten, erinnerten mich an einen meiner Coaching-Kunden, mit dem ich vor einigen Monaten gearbeitet hatte:
Ein junger Mann, seit einigen Jahren im Beruf, durchaus erfolgreich, und auch glücklich im Privatleben mit Freundin, nahen Verwandten und einem großen Freundeskreis, wandte sich an mich, weil er sich seit dem Antritt einer neuen Stelle plötzlich dauergestresst fühlte. Er hatte ständig das Gefühl, den Ansprüchen in der neuen Firma – ein Global Player mit vielen hochtalentierten Angestellten – nicht mehr genügen zu können, und eines Tages als Versager dazustehen.
Auf der Jagd nach der Anerkennung seines Chefs und der Kollegen setzte er sich selbst so sehr unter Druck, dass er abends regelmäßig mit dem Gefühl ins Bett ging, nicht genug geleistet zu haben. Morgens stand er mit dem Gefühl auf, seine Aufgaben auch im Laufe des Tages nicht abarbeiten zu können. Dieser ständig auf ihm lastende Druck führte zu einer Unkonzentriertheit und Antriebslosigkeit, die es ihm noch schwerer machte seine Ziele zu erreichen. Seine Frustration war grenzenlos.
Ein Teufelskreis!
In der Folge ließ er anstehende Aufgaben einfach liegen – und zog sich immer mehr zurück; saß nach Feierband oft tagelang alleine in seiner Wohnung. Erst als ihn mehrere Freunde unabhängig voneinander vorsichtig darauf ansprachen und nicht locker ließen, beschloss er etwas dagegen zu tun – und rief mich an.
Fälle wie die meines Coaching-Kunden gibt es viele. Die wenigsten trauen sich jedoch darüber zu sprechen, zu groß ist die Angst vor der Reaktion des Umfelds.
Das ist ein großer Fehler, denn schon mit ein paar einfachen Tricks kann man es schaffen, den Stress zu bewältigen. Ich nahm mir also den jungen Mann zur Brust und erarbeitete in mehreren Sitzungen einen Plan zur Stärkung seiner Resilienz, also der Fähigkeit Stresssituationen beherrschbar zu machen.
- Fangen Sie klein an: Ein immer wiederkehrender Fehler ist es, sich zu viel vorzunehmen. Ob im Job oder im Privatleben gilt die Devise, dass man es mit seinen Zielen nicht übertreiben sollte. Kleine Etappensiege sind gut für das Selbstbewusstsein (das Gehirn verbucht diese Erfolgsmeldung als Push und es fällt uns leichter weiter zu machen, Niederlagen dagegen verbrauchen Energie)
- Lernen Sie Nein zu sagen und seien Sie Herr (und Dame) über Ihre eigenen Entscheidungen: Erstellen Sie eine Liste mit all den Dingen, die Sie im Alltag leisten und sortieren Sie diese: Was will ich selbst wirklich und was wird mir nur von anderen aufgedrückt? Streichen Sie konsequent, was sie nicht möchten. Ich verspreche: niemand wird Ihnen Böse sein. Im Gegenteil: Nein sagen zu können ist eine Stärke und zeigt Selbstbestimmtheit, die Ihnen in Ihrem Umfeld Bewunderung einbringen wird. Wichtig ist: Machen Sie, wenn Sie etwas ablehnen, immer einen konstruktiven Gegenvorschlag, um dem anderen zu zeigen, dass es sich nicht um einen Boykott handelt, sondern um um eine gut durchdachte Entscheidung.
- Führen Sie ein Optimismus-Tagebuch: Schreiben Sie sechs bis acht Wochen auf, was Ihnen Positives widerfahren ist und was Sie optimistisch gestimmt hat. So bekommen Sie eine neue Perspektive auf ihr Leben – und neuen Antrieb.
- Streiten Sie über das, was Stress verursacht: Nichts ist schlimmer als sich in sein Schicksal zu ergeben. Sprechen Sie an, was Sie stört und was Ihnen Stress macht. Entgegen der weitläufigen Meinung ist Streit durchaus sinnvoll und kann Sie weiterbringen – wenn er konstruktiv abläuft. Denn durch den intensiven Austausch der Argumente erkennen Sie Ursachen für Stressfaktoren.
- Seien Sie achtsam: Hören Sie auf Ihre innere Stimme und auf Ihren Körper. Beide erkennen Warnsignale früh und sagen Ihnen, wann etwas zu viel wird. Greifen Sie dann gerne auf Punkt eins und zwei zurück – und es wird Ihnen bald wieder besser gehen.
Autor: Winfried Neun
Bild: Pixabay (CCO)