In Zeiten von Pandemien wird viel über persönliche Resilienz gesprochen und geschrieben. Resilienz sorgt aber auch für Nachhaltigkeit in Unternehmen und letztendlich auch für einen besseren Klimaschutz. Wie das geht und worauf Sie besonders achten sollten hat die NEUNsight-Redaktion für Sie recherchiert und dabei überraschende Erkenntnisse gewonnen.
Klären wir zuerst einmal den Begriff Resilienz. Ursprünglich kommt der Begriff aus der Psychologie und wurde lange Zeit als „Widerstandskraft gegenüber Stress“ übersetzt. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn Resilienz ist nicht nur die Widerstandskraft gegenüber Stress, sondern gegenüber allen Herausforderungen, denen wir uns als Menschen aussetzen oder denen wir ausgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Resilienz aber auch als Regenerationskraft zu verstehen, die dabei hilft, sich nach intensiven psychischen Belastungen wieder zu regenerieren und wieder zu Kräften zu kommen. In neusten Forschungsansätzen hat man erkannt, dass die Resilienz nicht nur für Individuen, sondern auch für Gruppen – ja sogar für ganze Gesellschaften – eine große Rolle spielt. Diese sogenannte Teamresilienz ist ein wichtiger Aspekt, wenn wir bei Pandemien von Resilienz sprechen, aber auch wenn es um nachhaltige Veränderungen in Unternehmen oder in Gesellschaften geht. Warum ist das so?
Das Selbstregulationsinventar als Schlüssel zu nachhaltigen Veränderungsprozessen
Große Veränderungsprozessen, wie z.B. mehr Klimaschutz zu implementieren oder das Unternehmen nachhaltiger zu gestalten, werden nicht nur von Inhalten oder Methoden gesteuert, sondern vor allem von der Resilienz der beteiligten Akteure. Je geringer das Resilienzlevel der Teams ist, desto größer die Gefahr des Versandens von Veränderungsprozessen oder nicht nachhaltigen Umsetzens der definierten Transformation. Dies basiert insbesondere auf der Tatsache, dass zur Realisierung von Veränderungen bei einem selbst, aber auch in Unternehmen, ein hohes Selbstregulationsinventar vorhanden sein muss. Dieses Selbstregulationsinventar ist ein wesentlicher Bestandteil in der Resilienzmessung. Was versteht man aber unter einem Selbstregulationsinventar?
Kurz gesagt: Alle Faktoren, die uns dabei helfen, uns in bestimmten Lebenssituationen als Individuum oder als Team selbst zu regulieren, d.h. uns beruhigen oder motivieren zu können, um eine Handlung konsequent umzusetzen. Zu diesem Inventar gehören:
- Die Selbstbestimmung
- Die Selbstwirksamkeit
- Die Selbstberuhigung
- Die Selbstmotivierung/-aktivierung
Alle diese vier Kategorien sorgen dafür, dass wir ausreichend Energie und Sinnhaftigkeit, vernetztes und logisches Denken, Intuition und Umsetzungsbereitschaft für notwendige Veränderungen aufbauen und zwar als Individuum aber auch als Team. Falls uns dies gelingt, werden die notwendigen Transformationen konsequent sowie nachhaltig umgesetzt. Leider gelingt dies in den seltensten Fällen. Zu oft sind einer oder mehrere der vier Resilienzkategorien auf einem zu niedrigen Level was zur Folge hat, dass es uns an Motivation, Sinnhaftigkeit oder Geduld für den Transformationsprozess fehlt. Somit werden notwendige Veränderungen nicht zielstrebig (eher halbherzig) umgesetzt und die gewünschte Nachhaltigkeit bleibt somit aus. Nur wenn es gelingt dieses Selbstregulationsinventar bei Individuen, Teams oder Gesellschaften gezielt aufzubauen, werden nachhaltige Veränderungen möglich. Dabei sind aber Verbote, Appelle und moralisierende Ansätze nicht wirksam. Im Gegenteil: Diese Vorgehensweisen sorgen für noch mehr Rückzug und weniger Bereitschaft für eine nachhaltige Veränderung, da solche Ansätze unsere Selbstbestimmung reduzieren. Und gerade die Selbstbestimmung, also das Gefühl sich selber Ziele zu setzen und die Maßnahmen zur Zielerreichung zu definieren, sorgt für die notwendige Energie und Dynamik bei Veränderungsprozessen, was dann wiederum für ausreichend Ideenreichtum sowie Kreativität sorgt. Gerade für nachhaltige Lösungen ist dies von unschätzbarem Wert. Das sollten sich gerade viele Parteien oder Vorsitzende, die meinen mit Verboten und Strafen einen nachhaltigen Umweltschutz bzw. eine nachhaltige Transformation zu etablieren, bewusst machen. Die dadurch erzeugte Gegenbewegung wird vieles von dem schon Erreichten wieder gefährden. Das Wissen um die Wirkung von Resilienz in Teams und bei jedem einzelnen ist eine entscheidende Voraussetzung, um Nachhaltigkeitsprojekte zielstrebig und erfolgreich in Unternehmen aber auch in Staaten umzusetzen.
Abteilungen entwickeln eigene Persönlichkeiten
Forschung innerhalb von Organisationen hat gezeigt, dass gerade in Unternehmen die einzelnen Abteilungen eine Art eigene Persönlichkeit entwickeln. Was heißt das aber?
Wenn sich Menschen in sozialen Gebilden vereinbaren, entsteht eine Art Arbeits-/Verhaltensmodus (nicht Kultur), der dafür sorgt, dass das Team die Herausforderungen und Aufgaben gemäß der vorhandenen Denkstrukturen und Potentiale angeht und löst. Dieser Modus ist eine Art Persönlichkeit und unterliegt der schon beschriebenen Teamresilienz. Damit sorgt sie für vergleichbare Verhaltensmuster wie bei einer Resilienzschwäche/-stärke bei einem Individuum – Wissenschaftler nennen dies die Background Personality einer Organisation. Diese Background Personality erzeugt oder verhindert beispielsweise Agilität und ist verantwortlich dafür, ob ein Transformationsprozess auch wirklich erfolgreich, nachhaltig und zielstrebig umgesetzt wird. Damit lassen sich viele Fehlschläge bei der Umstrukturierung von Unternehmen, der Realisierung von mehr Klimaschutz oder aber der Bekämpfung einer Pandemie erklären. Leider machen sich die Entscheider darüber zu wenig Gedanken und glauben, dass nachhaltige Transformation mit alten (sicherlich bewährten) Methoden realisierbar wäre. Die Realität zeigt aber ein anderes Bild. Es wird also Zeit, dass wir umdenken – dies hat uns nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie gezeigt.
Autor: Winfried Neun
Bild: Pixabay (CCO)
Weitere Informationen zum Thema der Background Personality finden Sie in Winfried Neuns aktuellem Buch: „Digitale Transformation und Agilität in der Praxis“