„Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist die Voraussetzung für deren Produktivität“

p395289 NEUNsight August 2020

Fabian Gottschalk vom Reha-Zentrum Lörrach-Haagen spricht im Interview mit der NEUNsight über Fitness und Prävention und erklärt, warum er seine Mitarbeiter zu Resilienzcoaches ausbilden lässt.

NEUNsight:

Ihr PURE Medical Fitness im Reha-Zentrum Lörrach-Haagen vereint die klassische Physiotherapie und Fitnesstraining. Wie ist diese Idee entstanden?

Fabian Gottschalk:

Im Reha-Zentrum Lörrach-Haagen haben wir schon immer das Ziel verfolgt, Menschen schnell in die aktive Therapie zu bekommen, d.h. weg von der Liege und ran an die Geräte! In der physiotherapeutischen Fachsprache nennt man das heutzutage von der „hands-on“ zur „hands-off“ Therapie. Durch die aktive Therapie kommt es zum einen zu einer schnelleren Genesung und zum anderen lernen die Patienten unter professioneller Anleitung, sich langfristig selbst fit zu halten, ganz nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Nach der physiotherapeutischen Behandlung wuchs die Nachfrage bei den Patienten, bei uns in der Einrichtung weiter trainieren können. Wir sind diesem Bedürfnis nachgekommen und haben unser Angebot um ein Trainingsabo erweitert. Die Nachfrage nach Trainingsabos stieg aber so rasant, dass wir schnell an unsere räumlichen Kapazitäten gekommen sind. Da kam die Idee auf, eine eigene Abteilung im Reha-Zentrum Lörrach-Haagen zu gründen, um Patienten nach Abschluss der Therapie ein medizinisches Training anzubieten. Im Frühjahr 2020 gründeten wir also das Pure Medical Fitness Studio, welches nicht nur Patienten, sondern allen Menschen die Möglichkeit bietet, unter professioneller Anleitung zu trainieren.

NEUNsight:

Sie bieten einen sogenannten Fitnessführerschein an, der von den Krankenkassen bezuschusst wird. Was beinhaltet dieser Fitnessführerschein?

Fabian Gottschalk:

Der Fitnessführerschein ist ein von den Krankenkassen bezuschusster Kurs. Dieser Kurs beinhaltet zehn Unterrichtseinheiten, in denen ein zertifizierter Trainer den Teilnehmenden mithilfe von Theorie und Praxis das Ausdauertraining, das Krafttraining und das Training der Beweglichkeit auf einfachste Weise verständlich macht. Dieser Kurs wird von vielen Krankenkassen sogar zu 100 % erstattet. Seit Einführung des Fitnessführerscheins konnten wir beobachten, dass die Fluktuation deutlich abgenommen hat. Durch das bessere Verständnis über die Hintergründe der Trainingsmethoden erreichen unsere Kunden ihre Ziele. Das motiviert sie und führt langfristig zu einer besseren Kundenzufriedenheit.

NEUNsight:

Sie legen großen Wert auf Prävention. Wie ließen sich viele Verletzungen, die durch Physiotherapie behoben werden müssen, vorbeugen? Indem mehr trainiert wird oder indem „richtiger“ trainiert wird?

Fabian Gottschalk:

Ein Großteil unserer Kunden in der Physiotherapie leidet nicht an akuten Verletzungen, sondern oftmals an chronischen Erkrankungen, dazu gehören vor allem Rückenschmerzen aber auch Arthrose der Schulter, der Hüfte und des Kniegelenks. Diesen Erkrankungen kann selbstverständlich durch einen gesunden Lebensstil und Training im Alltag vorgebeugt werden. Wir achtem mit unseren Trainern ganz besonders auf das  „richtige Trainieren“.  Denn auch hier können Fehler gemacht werden, ganz besonders durch falsche Belastung des Rückens oder falsche Dosierung der Trainingsintensität. Den Begriff Prävention halte ich für besonders wichtig in Bezug auf die eben erwähnten Krankheitsbilder. Selbstverständlich bieten wir auch Programme für Sportvereine oder auch Hobbysportler an, die durch richtiges Training Verletzungen vorbeugen können. Auf das richtige Training legen wir besonders großen Wert und garantieren das durch die Qualität unserer Trainer und die ständige Betreuung auf der Trainingsfläche.

NEUNsight:

Durch die Corona-Pandemie waren ja sicher auch in Ihrem Haus Unsicherheit und Angespanntheit präsent. Wie sind Sie und Ihre MitarbeiterInnen mit diesen Emotionen und daraus resultierenden Stimmungen oder Verhaltensformen umgegangen?

Fabian Gottschalk:

Unsere Mitarbeiter waren in dieser Zeit besonders gefordert. In der Physiotherapie begegneten sie immer wieder Patienten  und Kunden, deren Unsicherheit sehr groß war. Unsere Mitarbeiter haben in dieser Zeit eine wichtige Rolle übernommen: Sie haben die Menschen aufgeklärt und ihnen auch die Angst genommen, obwohl auch bei ihnen selbst eine Unsicherheit und Ungewissheit zu spüren war. Intern musste ich als Betriebsleitung gemeinsam mit unseren Führungskräften unsere Mitarbeiter Woche für Woche in Personalgesprächen aufklären und motivieren. Gleichzeitig wurden wöchentlich neue Maßnahmen der Bundesregierung veröffentlicht, auf die wir reagieren mussten. Aber wenn man nach drei Monaten ein kurzes Fazit ziehen darf: Wir sind sehr stolz darauf, wie unsere Mitarbeiter durch diese schwierige Zeit gekommen sind und möchten hierfür ein ausdrückliches Lob aussprechen.

NEUNsight:

Überträgt sich die Stimmung der Mitarbeiter auf die Patienten, oder auch andersherum?

Fabian Gottschalk:

Unsere Mitarbeiter haben es geschafft, über die Zeit Vertrauen zu den Patienten aufzubauen, so dass sich schon im April, nachdem die ersten Lockerungen kamen, wieder viele Leute bei uns zur Physiotherapie angemeldet haben. Auch hier möchte ich ein Dankeschön an unsere Mitarbeiter aussprechen, die sich von Beginn an gegenüber den Patienten und dem Unternehmen vorbildlich verhalten haben.

NEUNsight:

Wie wird im Reha-Zentrum Lörrach-Haagen Stimmungsmanagement betrieben?

Fabian Gottschalk:

Im Reha-Zentrum Lörrach-Haagen sind ca. 40 Mitarbeiter beschäftigt. Für diese Mitarbeiter haben wir eine Teammanagerin, die gleichzeitig auch Physiotherapeutin ist. Ihre zusätzliche Aufgabe ist es, Einzelgespräche mit den Mitarbeitern zu führen, um sich in deren Stimmung einzufühlen. Es ist uns sehr wichtig, solche Gespräche regelmäßig zu führen, um die Stimmungslage einzelner Mitarbeiter zu erkennen und auf diese entsprechend reagieren zu können. Gleichzeitig versuchen wir, unser Team mit einer flachen Hierarchie zu führen und begegnen unseren Mitarbeitern auf Augenhöhe. Die Einbindung der Mitarbeiter in entscheidende Prozesse, die das Unternehmen in Zukunft verändern werden, ist ein weiterer wichtiger Punkt. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz  ist die Voraussetzung für deren Produktivität. Um das Thema Stimmungsmanagement weiter zu verbessern, werden wir das Thema Resilienz in unserem Unternehmen einbringen. Ganz besonders hat mir hierbei die Schulung von Winfried Neun geholfen, bei dem es vordergründig um das Thema Resilienz ging. Das Thema Resilienz werden wir als festen Bestandteil in unserer Unternehmen aufnehmen und Resilienzcoaches ausbilden lassen, die regelmäßig mit unseren Mitarbeitern arbeiten. Gleichzeitig wollen wir dieses Angebot auch Patienten oder Betrieben im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements anbieten.

NEUNsight:

Bleibt Stimmungsmanagement Ihrer Ansicht nach immer etwas, das aktiv betrieben werden muss?

Fabian Gottschalk:

Aus meiner Erfahrung hat sich das Verhältnis zwischen den Mitarbeitern und den Unternehmen in den letzten Jahren sehr verändert. Während früher nur Gehalt, Wochenstundenzahl und Urlaubstage im Vordergrund von Verhandlungen standen, hat heutzutage das Wohlbefinden am Arbeitsplatz immer mehr an Bedeutung gewonnen. Wir legen darauf wert, dass unsere Mitarbeiter sich selbstbestimmend verwirklichen können, ihre Ziele erreichen, sinnbewusst eingesetzt werden und dass im Team ein gutes Betriebsklima herrscht, abgerundet mit einem schön gestalteten Ambiente.  Das Stimmungsmanagement bekommt somit bei uns eine vielfältige Bedeutung und deckt alle Bereiche in einem Unternehmen ab. Wir werden in Zukunft weiter aktiv Stimmungsmanagement betreiben, um interessant für Bewerber zu bleiben aber auch, um Mitarbeiter langfristig halten und zufrieden stellen zu können.

NEUNsight:

Durch die Coronakrise waren ja auch alle Sporteinrichtungen geschlossen. Welche Tipps haben Sie für alle, die jetzt wieder anfangen zu trainieren, um sich durch mögliche erlittene Rückschläge durch die letzten Monate nicht sofort demotiviert zu fühlen?

Fabian Gottschalk:

Man hört immer wieder, dass Corona in der Zeit des Lockdowns die Trainingsgewichte erhöht hat. Natürlich hat Corona die Gewichte nicht erhöht, ist aber die Schuldige, die dafür gesorgt hat, dass viele Menschen ihrem gewohnten Training nicht nachgehen konnten und nunmehr eine lange Trainingspause eingelegt haben. Leider ist der Körper so intelligent, dass er alles, was er nicht braucht, relativ zügig abbaut, wie z.B. Muskelmasse. Somit muss die Trainingsintensität nach einer längeren Pause angepasst werden, bestenfalls fachmännisch von einem Trainer. Das Gute daran ist aber, dass ein trainierter Körper sich erinnert und sich relativ schnell wieder erholt und zur alten Form zurückkehrt. Man nennt dieses Phänomen den Memory-Effekt.

NEUNsight:

Wie erleben Sie generell in Ihrer täglichen Arbeit den Einfluss der Psyche auf das körperliche Wohlbefinden Ihrer Patienten und Kunden?

Fabian Gottschalk:

Ich erlebe es besonders in der Physiotherapie, wie eng die Psyche und das körperliche Wohlbefinden zusammenhängen. Schon damals waren es die Philanthropen, die erkannt haben, wie wichtig das Zusammenspiel von Körper und Geist ist und nahmen die Gymnastik in ihren Lehrplan auf. Viele seelische Schmerzen oder psychische Beschwerden äußern sich körperlich und können körperliche Leiden hervorrufen, hier sind besonders der Rückenschmerz und der Schulterschmerz zu nennen. Leider wird in der Ausbildung der Therapeuten zu wenig auf diese Problematik bzw. auf adäquate Lösungsansätze eingegangen. Hier setzen wir besonders auf die Ausbildung unserer eigenen Resilienzcoaches durch Winfried Neun, die unsere Mitarbeiter auf psychischer Ebene schulen werden, um die Patienten und den Kern der Problems besser verstehen zu können. Diese zweispurige Therapie der physischen und psychischen Betreuung ist derzeitig noch einzigartig!

Fabian Gottschalk, 38 Jahre, geboren in Lörrach, Studium der Sportwissenschaft in Tübingen, ist Betriebsleiter des Reha-Zentrums Lörrach-Haagen GmbH.

Interview: Orla Flock

Bilder im Text: © Design Philosophia (Sophia Painda)

Coverbild: © Reha-Zentrum Lörrach-Haagen